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KOLUMNE
König Blauzahn
und die Folgen
von Lutz Rossmeisl, Brancheninsider
Wir sind umgeben von Normen und
Standards. Sie bestimmen unseren
Alltag. Dass wir Glühbirnen problemlos
wechseln können, verdanken wir genorm-
ten Schraubsockeln wie E27 und E14.
Dass wir einheitliche Papierbogen haben,
die in ein Briefkuvert passen und in Prin-
tern bedruckt werden können, verdanken
wir der Norm DIN
A4. Und dass wir
Harald Blauzahn
digitale Daten ka-
blieb von den
bellos von einem
Gerät zum nächs-
Unwägbarkeiten
ten transportieren
verschont, mit
können, verdan-
ken wir modernen
denen wir uns
Funkstandards, un-
heute herumschlagen.
ter anderem auch
Bluetooth, dessen
Name sich von Harald Blauzahn herleitet,
einem berühmten dänischen König im
10. Jahrhundert.
Weil König Bluetooth jedoch nur Na-
mensgeber, nicht aber Erfinder des gleich-
namigen Funkstandards war, blieb er
von den zahlreichen Hürden und Unwäg-
barkeiten verschont, mit denen sich die
Menschen heutzutage bei einem Nor-
mungs- oder Standardisierungs-Verfahren
herumschlagen müssen.
In reinstem Bürokraten-Deutsch heißt
es zwar ganz harmlos und unverfänglich:
„Normung ist die planmäßige, durch inte-
ressierte Kreise gemeinschaftlich durch-
geführte Vereinheitlichung von materiel-
len und immateriellen Gegenständen zum
Nutzen der Allgemeinheit.“
In Wahrheit ist ein Standardisie-
rungs-Verfahren jedoch in vielen Fällen ein
endlos quälender Vorgang, ähnlich dem
gefürchteten Aufenthalt in Dantes Vorhöl-
le. Denn die verschiedenen Schritte in dem
Verfahren werden so lange wiederholt, bis
ein „befriedigender Status“ erreicht ist und
keine wesentlichen Einsprüche mehr erfol-
gen. Das kann dauern.
Zum Glücksspiel mit ungewissem Aus-
gang wird der Standardisierungs-Prozess
vollends durch die Tatsache, dass in den
Arbeitsgruppen für technologische Stan-
dards neben kompetenten Wissenschaft-
lern auch Produzenten, Anwender und
politische Amtsträger zu
Das Anlernen Wort kommen. Das heißt,
dass zu den „interessier-
neuer Geräte hat
ten Kreisen“ auch Leu-
ein gravierendes te gehören können, die
grundsätzlich alles blo-
Sicherheitsloch.
ckieren, die von Technik
keinen blassen Schimmer
haben und die völlig Ahnungslosen, bei
denen man den Eindruck gewinnen kann,
sie wären entsendet, um zu Hause keinen
Schaden anzurichten.
Bluetooth gibt es seit 1994. Freispre-
chen im Auto mit Bluetooth auch schon
über 20 Jahre. Dennoch gibt es immer
wieder Probleme beim Anlernen, wenn ich
einen anderen Mietwagen besteige. Als
Anwender erwarte ich von einem „Stan-
dard“ etwas anderes. Du auch?
Am Beispiel des Funkstandards
„ZigBee“ brachten Informatiker der
Universitäten Erlangen-Nürnberg und
Mannheim vor zwei Jahren eine gravieren-
de Schwachstelle auf den Punkt: Das
Anlernen neuer Geräte hat in dem „Stan-
dard“ ein gravierendes Sicherheitsloch
– auch noch 10 Jahre nachdem ZigBee
Security überhaupt in erstmals Home
Control vorgesehen
hat und die Lücke
sogar aus der Spe-
Wenn du es jetzt im
zifikation klar er-
Hintergrund
sichtlich ist. Was
kann der Kunde
rumpeln hörst,
erwarten: Statt
könnte es sein, dass
universeller Inte-
roperabilität ein
sich König Blauzahn
Sammelsurium
in seinem Grab
unterschiedlicher,
inkompatibler Ver-
umdreht.
sionen eines so-
genannten „Standards“, die alle eines ge-
meinsam haben: Die gleiche gravierende
Sicherheitslücke.
Wenn du es jetzt im Hintergrund
laut rumpeln hören, könnte es sein, dass
sich König Blauzahn in seinem Grab
umdreht. ZigBee hat zum Glück keinen
Namensgeber.
Lutz Rossmeisl blickt auf mehr als 40 Jahre Branchen
erfahrung zurück und besitzt höchste Fachkompetenz.
Er diskutiert und analysiert aktuelle Marktentwicklungen
und bringt Themen gekonnt auf den Punkt.