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KOLUMNE
Kassensturz
von Lutz Rossmeisl, Brancheninsider
Amazon ist immer für eine Überra-
schung gut. Geht es nach den neu-
esten Plänen des Online-Giganten, dann
müssen sich Kunden der kassenlosen
Amazon-Go-Stores beim Bezahlen künf-
tig durch ein Verfahren identifizieren, mit
dem man bislang Verbrecher überführte –
nämlich per Fingerabdruck. Ehrlich gesagt
ist mir das Bezahlen mit einem Lächeln
lieber. Denn neben dem Fingerabdruck
gehört auch der
Iris-Scan zu den
Herkömmliche
biometrischen Au-
Kassensysteme
torisierungsver-
fahren, die künftig
sind bald reif
beim Bezahlen im
fürs Museum.
Supermarkt ge-
nutzt werden
könnten.
Laut Branchenverband Bitkom bringen
die Deutschen der Gesichtserkennung als
Autorisierungsmittel weniger Vertrauen
entgegen. Außerdem finde ich es einfach
netter, wenn man durch ein Lächeln oder
Augenzwinkern einen Bezahlvorgang
autorisieren kann.
Amazon betreibt derzeit 21 kassenlose
Supermärkte in den USA. Erste Pilotpro-
jekte gibt es auch schon in Deutschland
und Österreich. Die Entwicklung zeigt: Her-
kömmliche Kassensysteme, so smart sie
auch sein mögen, sind bald reif fürs Mu-
seum. Mobile Pay-
Internetwährungen ment, biometrische
Bezahl-Verfahren
werden unser
und kassenlose
gesamtes Banken- Einkaufsmärkte
sind im Trend und
system umkrempeln.
begleiten die digita-
le Transformation.
Mit anderen Worten: Die Registrier-
kasse hat ausgedient. 140 Jahre nach ih-
rer Erfindung wird sie vom Thron gestürzt.
Der „Kassensturz“ ist im Geldsektor nicht
die einzige Folge des digitalen Wandels.
Experten sind davon überzeugt, dass In-
ternetwährungen als Alternative zum Pa-
piergeld unser gesamtes Bankensystem
umkrempeln werden.
Zu den Big Playern auf diesem Gebiet
wird zweifellos auch Amazon gehören
– auch wenn der
Konzern erst in ei-
Amazon wird
nigen Jahren über
zum Big Player
die Schaffung einer
eigenen Währung
auf dem Markt der
wie Facebooks
Kryptowährungen.
Libra-Projekt nach-
denken will. Libra,
deren Einführung für 2020 geplant war,
letztlich aber scheiterte, war im Unter-
schied zu Bitcoin sowohl Währung als
auch Plattform für Smart Contracts.
Was uns die Zukunft an Überraschungen
auch noch bringen mag – es wäre schade,
wenn wir auf Amazon-Coins verzichten
müssten. Denn die Vorstellung ist einfach
zu schön, dass Amazon-Chef Jeff Bezos,
derzeit reichster Mann der Welt, in seinem
virtuellen Geldspeicher eines Tages genau-
so genussvoll herumschwimmen könnte
wie Dagobert Duck, sein Bruder im Geiste,
der sich bekanntlich mit großen Hecht-
sprüngen in reale Geldspeicher stürzt. Der
einzige Unterschied: Onkel Dagobert ist
eine Comic-Figur. Jeff Bezos nicht.
Lutz Rossmeisl blickt auf mehr als 40 Jahre Branchen
erfahrung zurück und besitzt höchste Fachkompetenz.
Er diskutiert und analysiert aktuelle Marktentwicklungen
und bringt Themen gekonnt auf den Punkt.